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Gedenken an die Opfer des rechten Terroranschlags vom 22.07.2016 neun Jahre danach am Olympia Einkaufszentrum München.

Bayerischer Landtag feiert während des Gedenkens – Offener Brief der Überlebenden und Angehörigen der Opfer des Anschlags am OEZ

Sehr geehrte Ilse Aigner,
sehr geehrte Vorsitzende der Landtags-Fraktionen,
sehr geehrte Abgeordnete des Bayerischen Landtags,
sehr geehrter Ministerpräsident Markus Söder,

mit tiefer Enttäuschung und großem Schmerz wenden wir uns an Sie.

Am 22. Juli 2025, jährte sich zum neunten Mal der rassistische Anschlag am und im Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München, bei dem neun Menschen ihr Leben verloren:
Armela Segashi, Can Leyla, Dijamant Zabërgja, Guiliano Kollmann, Hüseyin Dayıcık, Roberto Rafael, Sabine S., Selçuk Kılıç und Sevda Dağ.

Es war ein Tag des Gedenkens, der Trauer und des Zusammenhalts für die Opfer und ihre Angehörigen.

Es hat uns zutiefst betroffen und wütend gemacht, dass abgesehen von Vertreter:innen der Stadt München keine offiziellen Repräsentanten der bayerischen Staatsregierung und nur sehr vereinzelt Abgeordnete des Landtags bei der Gedenkfeier anwesend waren. Stattdessen mussten wir erfahren, dass zeitgleich zur Gedenkveranstaltung ein „Sommerempfang“ stattfand, an dem zahlreiche bayerische Politiker:innen teilnahmen. Die Veranstaltung wurde als eines der „größten und schönsten Ehrenamtsfeste des Freistaats“ in den sozialen Medien dargestellt.

Die Frage drängt sich auf: Wurde dieses Datum bewusst für Ihren Sommerempfang gewählt? Ist es wirklich angebracht, am Jahrestag eines so traumatischen und rassistisch motivierten Verbrechens, das neun Menschenleben forderte und unzählige Familien ins Leid stürzte, eine solche Veranstaltung abzuhalten?

Als Hinterbliebene der Opfer und als Überlebende finden wir die Priorisierung einer Feier über das Gedenken als einen schweren Schlag ins Gesicht. Es sendet ein verheerendes Signal an uns Betroffene und an die gesamte Gesellschaft: das Signal, dass das Gedenken an diesen Akt des Hasses und die Solidarität mit den Opfern nicht die notwendige Bedeutung und Priorität genießen.

Die Erinnerung an den 22. Juli 2016 muss wachgehalten werden, um aus der Geschichte zu lernen und gemeinsam gegen Rassismus und jede Form von Gewalt aufzustehen. Ihre Abwesenheit bei der Gedenkfeier und die zeitgleiche Feierlichkeit hinterlassen bei uns ein Gefühl der Verlassenheit und des Unverständnisses.

Wir erwarten von Ihnen, den gewählten Vertreter:innen unseres Freistaates, dass Sie die Bedeutung dieses Tages erkennen, anerkennen und den Opfern und Hinterbliebenen den Respekt entgegenbringen, den sie verdienen. Dies beinhaltet die sichtbare Teilnahme an Gedenkveranstaltungen, nicht nur durch die Stadt, sondern auch durch die höchsten Vertreter:innen des Landes.

Aus unserer Sicht ist Gedenken ist keine Option, sondern es ist Pflicht.

Behörden und Politiker:innen haben uns gequält und die Tat drei Jahre und drei Monate als Amoklauf eingestuft. Wir als Angehörige und Überlebende haben die Aufgaben übernommen, die eigentlich in der Verantwortung der Politik liegen. Auch nach der Anerkennung als rechter Terroranschlag gab es keine Konsequenzen. Neun Jahre lang haben Sie uns nicht unterstützt, haben keine Empathie gezeigt. Viele unserer Fragen sind bis heute unbeantwortet. Und jetzt müssen wir hören, dass am neunten Jahrestag, genau zu der Zeit, als wir getrauert haben, auf Einladung des Bayerischen Landtags gefeiert wurde.

Wir stellen die Frage: Was sehen Sie eigentlich als Ihre Aufgabe in Bezug auf rechten Terror in Bayern?

Der 22. Juli muss als offizieller Gedenktag anerkannt und fest in das kollektive Gedächtnis dieses Landes eingeschrieben werden. Alles andere bedeutet, rechten Terror weiter zu verharmlosen und die Opfer aus der öffentlichen Erinnerung zu tilgen.

Wir akzeptieren diese Gleichgültigkeit nicht. Ein Gedenktag darf nicht durch ein Fest überschattet werden. Das ist nicht nur uns gegenüber, sondern auch gegenüber dem gesellschaftlichen Gerechtigkeitsempfinden eine Beleidigung.

Mit tiefster Enttäuschung,

Die Überlebenden und Angehörigen der Opfer des rechtsterroristischen Anschlags am 22. Juli 2016 am OEZ in München

Familie Dağ
Familie Dayıcık
Familie Kılıç
Familie Kollmann
Familie Leyla
Familie Segashi
Familie Zabërgja
Familie Bayri